Die Lösung liegt auf der Hand

Die Prinzipien der Nachhaltigkeit sind zu achten

Das ist leichter gesagt als getan, aber machbar – wenn wir verinnerlichen, was nachhaltige Entwicklung wirklich bedeutet und verstehen, welche Grundgedanken in den vier sozio-ökologischen Prinzipien der Nachhaltigkeit stecken. The Natural Step hat diese Prinzipien unmittelbar aus den Hauptursachen unserer globalen Probleme abgeleitet. Sie definieren die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Gesellschaft und helfen uns dabei, nicht systematisch die sozio-ökologischen Systeme zu zerstören, die unsere Lebensgrundlage bilden.

Die Kernfrage: Wie können wir Wohlstand und Wohlbefinden für uns alle innerhalb der natürlichen Grenzen unseres Planeten erreichen? Unsere Antwort: indem wir die Prinzipien der Nachhaltigkeit als Systembedingungen respektieren und aufhören, diese systematisch zu verletzen. Wir werden nachfolgend jedes Prinzip einzeln erklären. Zuvor wollen wir ein gemeinsames Grundverständnis von nachhaltiger Entwicklung aufbauen und erläutern, warum wir zwingend unsere lebenserhaltenden Systeme vor einem weiteren Abbau schützen müssen.

Eine Definition nachhaltiger Entwicklung

Die Brundtland Kommission, auch bekannt als „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ (World Commission on Environment and Development, WCED), veröffentlichte 1987 den nach ihr benannten Brundtland Bericht. Dieser Zukunftsbericht mit dem Titel „Our Common Future“ hatte zum Ziel, auf globaler Ebene die Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung zu beschreiben und hierfür eine Definition zu formulieren. Die Version, die Dr. Gro Harlem Brundtland, die Vorsitzende der Kommission, vor drei Jahrzehnten vorgeschlagen hat, ist international akzeptiert und aktueller denn je. Die offizielle deutsche Fassung stammt von Dr. Volker Hauff, seinerzeit Forschungsminister und selbst Mitglied der Brundtland Kommission. Sie lautet: Nachhaltig ist eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“. Das bedeutet: In einer nachhaltigen Gesellschaft werden die menschlichen Grundbedürfnisse immer und überall gewahrt. Auch wenn dies utopisch erscheinen mag, macht es Sinn, so nah wie möglich an dieses Ideal herankommen zu wollen. Hierfür gilt es zu definieren, um welche Bedürfnisse es konkret geht.

Definition nachhaltiger Entwicklung

Die Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse

Mit seiner Bedürfnis-Matrix hat Manfred Max-Neef, der bekannte Chilenische Ökonom mit deutschen Wurzeln, eine verständliche Übersicht zu den individuellen menschlichen Grundbedürfnissen entwickelt und auch dazu, wie diese befriedigt werden können. In seiner „Matrix of Needs and Satisfiers“ unterscheidet er neun fundamentale Bedürfnisse, die für alle Menschen in allen Kulturen gelten und leicht zu unterscheiden sind. Zwischen ihnen gibt es keine Gewichtung und auch keine Hierarchie. Für Manfred Max-Neef haben diese Grundbedürfnisse mit Wirtschaftswachstum nichts zu tun, sondern mit Lebensqualität: „Entwicklung ist, wenn sich meine Möglichkeiten verbessern, meine Bedürfnisse zu befriedigen“. In der modernen Wirtschaftstheorie geht es im Gegensatz dazu um Wachstum, nicht zentral um das Glück des Menschen – genau darin sieht Manfred Max-Neef das zentrale Dilemma. Die menschlichen Grundbedürfnisse stehen daher aus seiner Sicht oft im Gegensatz zu konventionellen wirtschaftlichen Wünschen und Begehrlichkeiten.

Lebenserhaltung

Lebenserhaltung
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): körperliche und geistige Gesundheit, Streben nach innerem Gleichgewicht, Sinn für Humor, Fähigkeit zur Anpassung
  • Haben (nicht materiell): Nahrung, Obdach, Arbeit
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): sich oder andere ernähren, sich fortpflanzen, sich ausruhen, arbeiten
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): Lebensumfeld, soziales Umfeld

Schutz

Schutz
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): Fürsorge, Fähigkeit zur Anpassung, Autonomie, Gleichgewicht, Solidarität
  • Haben (nicht materiell): Versicherungswesen, Ersparnisse, soziale Sicherheit, Gesundheitswesen, Gesetzgebung, Rechte, Familie, Arbeit
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): kooperieren, vorsorgen, planen, sich kümmern, heilen, helfen
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): Lebensraum, soziales Umfeld, Wohnraum

Zuneigung

Zuneigung
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): Selbstachtung, Solidarität, Respekt, Toleranz, Großzügigkeit, Aufnahmefähigkeit, Leidenschaft, Entschlossenheit, Sinn für Humor
  • Haben (nicht materiell): Freundschaften, Familie, Partnerschaften, Beziehungen zur Natur
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): teilen, pflegen, betreuen, umsorgen, lieben, Gefühle zum Ausdruck bringen, wertschätzen
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): Privatsphäre, Intimsphäre, Zuhause, Raum für Zweisamkeit und Begegnungen

Verständnis

Verständnis
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): kritisches Bewusstsein, Aufnahmebereitschaft, Neugier, Erstaunen, Disziplin, Intuition, Vernunft
  • Haben (nicht materiell): Literatur, Lehrer, Methodik, Bildungswesen, Kommunikationspolitik
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): untersuchen, erforschen, experimentieren, ausbilden, analysieren, interpretieren
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): Möglichkeiten zur Interaktion, Bildungseinrichtungen wie Schulen, Universitäten, Akademien, Gruppen, Gemeinschaften, Familie

Teilnahme

Teilnahme
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): Fähigkeit zur Anpassung, Aufnahmefähigkeit, Solidarität, Bereitwilligkeit, Entschlossenheit, Engagement, Respekt, Leidenschaft, Sinn für Humor
  • Haben (nicht materiell): Rechte, Verantwortlichkeiten, Verpflichtungen, Privilegien, Arbeit
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): sich anschließen, zusammenarbeiten, vorschlagen, teilen und sich mitteilen, abweichen, folgen, interagieren, zustimmen, Meinung äußern
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): Möglichkeiten zur Mitbestimmung in Interaktionen, Gesellschaften, Parteien, Kirchen, Gemeinschaften, Nachbarschaften, im Umfeld

Muße

Muße
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): Vorstellungskraft, Phantasie, Ruhe, Spontaneität
  • Haben (nicht materiell): Spiele, Show und Entertainment, Clubs und Kneipen, Party, Ruhe
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): vor sich hin träumen, sinnieren, sich in die Vergangenheit flüchten, sich Dinge ausdenken, sich erinnern, sich entspannen, Spaß haben, spielen
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): Privatsphäre, Intimsphäre, Räume für Nähe, Freizeit, Umgebung, Landschaft und Natur

Kreativität

Kreativität
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): Vorstellungskraft, Phantasie, Mut, Leidenschaft, Erfindungsgabe, Neugier
  • Haben (nicht materiell): Fähigkeiten, Fertigkeiten, Verfahren/Methodik, Arbeit
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): arbeiten, erfinden, herstellen, entwickeln, komponieren, interpretieren
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): Möglichkeiten produktiv zu sein und Feedback zu bekommen, Workshops, kulturelle Gruppen, Publikum, Räume sich auszudrücken, zeitlicher Freiraum

Identität

Identität
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): Zugehörigkeitsgefühl, Selbstachtung, Durchsetzungsvermögen, Zusammenhalt, Differenzierung
  • Haben (nicht materiell): Symbole, Sprache, Religion, Gewohnheiten, Brauchtum, Bezugsgruppen, Sexualität, Werte, Normen, Rollen, geschichtliches Erinnerungsvermögen, Arbeit
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): sich engagieren, sich integrieren, konfrontieren, entscheiden, sich selbst kennenlernen, sich selbst erkennen, sich neu erfinden, wachsen
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): gesellschaftliche Abläufe/Rhythmen, Alltagsszenarien, Milieus, denen man angehört, Reifegrade

Freiheit

Freiheit
  • Sein (eigene und gemeinsame Merkmale): Autonomie, Leidenschaft, Selbstachtung, Aufgeschlossenheit
  • Haben (nicht materiell): Gleichberechtigung
  • Tun (eigene oder gemeinsame Handlungen): abweichen, auswählen, sich unterscheiden, Risiken eingehen, Bewusstsein entwickeln, sich engagieren, sich widersetzen
  • (Sich) Befinden (Orte und Umgebungen): Formbarkeit von Zeit und Raum, räumlicher und zeitlicher Wandel

MANFRED MAX-NEEF

Von Manfred Max-Neef stammt auch dieser Satz, den Sie womöglich kennen: „The economy is to serve the people, not people to serve the economy”, frei übersetzt: Die Wirtschaft sollte den Menschen dienen, nicht umgekehrt. Wenn Sie mehr über Manfred Max-Neef und seine Philosophie erfahren möchten, dann schauen Sie sich dieses Interview an, das 2013 in Bhutan aufgezeichnet wurde.

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Strategien für nachhaltige Entwicklung haben immer mit Menschen und ihren Rechten zu tun. Die Veröffentlichungen von Manfred Max-Neef stellen die individuellen menschlichen Grundbedürfnisse in den Mittelpunkt. Das ist hilfreich, kann aber nicht erklären, wie ein soziales System beschaffen sein muss, um diese individuellen Bedürfnisse zu erfüllen. Mit seiner Bedürfnis-Matrix hat Max-Neef die Forscher und Wissenschaftler von The Natural Step dazu inspiriert, sich auf der Systemebene mit sozialer Nachhaltigkeit intensiv auseinanderzusetzen. Das Ergebnis: ein systemisches soziales Nachhaltigkeitsprinzip mit fünf Teildimensionen.

Dahinter stehen folgende Erkenntnisse: Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir organisieren uns in Gruppen und sozialen Gefügen, dort werden unsere individuellen und kollektiven Bedürfnisse erfüllt. Vertrauen ist der Kitt, der soziale Systeme zusammenhält: Wenn wir uns gegenseitig vertrauen – unabhängig von Geschlecht, Kultur und Kompetenz, fällt es uns leichter, gemeinsam kreativ und erfolgreich zu sein. Wenn wir außerdem den öffentlichen Institutionen vertrauen, dann können wir – mit hoher Wahrscheinlichkeit – ein funktionierendes soziales System aufbauen.

Ganz anders ist die Situation, wenn den menschlichen Grundbedürfnissen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht entsprochen wird. Dann schwindet der Zusammenhalt in der Gesellschaft als Ganzes – Konflikte, Korruption und Kriminalität nehmen zu. Damit unsere individuellen und kollektiven gesellschaftlich-sozialen Bedürfnisse heute und in Zukunft erfüllt werden können, müssen sowohl die ökologischen als auch die sozialen Systeme ordnungsgemäß funktionieren. Daher liegt es in unser aller Interesse, keinen einzigen zentralen Aspekt dieser Systeme zu schädigen.

Die Erhaltung sozio-ökologischer Systeme

Einer der führenden Wissenschaftler für globale Nachhaltigkeitsthemen ist Dr. Johan Rockström vom Stockholm Resilience Center – ein langjähriger, sehr geschätzter Partner von The Natural Step. Bei einer unserer Veranstaltungen in Stockholm hat er kürzlich die wesentlichen Trends und Herausforderungen im Kontext Nachhaltigkeit zusammengefasst. In seinem wissenschaftlichen Update hob er „die fantastische Arbeit von The Natural Step“ hervor und den „enormen Mehrwert des Kernkonzepts FSSD, Framework for Strategic Sustainable Development“. In seinem Vortrag erklärte er ferner, wie die Spezies Mensch die sozio-ökologischen Systeme schädigt, von denen sie abhängig ist, und warum wir damit aufhören müssen. Mehr dazu sehen Sie in diesem Video (Originalmitschnitt in Englisch):

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Quelle: „The future of leadership is now 2016 – Johan Rockström – The StepWise methodology“, Originalmitschnitt in Englisch

Ausgewählte Kernaussagen von Dr. Johan Rockström – sinngemäß übersetzt und zusammengefasst:

„Wir brauchen eine globale systemische Perspektive, um uns den sozio-ökologischen Herausforderungen erfolgreich zu stellen und einen globalen Bewusstseinswandel zugunsten der Nachhaltigkeit in Gang zu bringen. Wir sind heute in der Lage, die Rahmenbedingungen auf unserem Planeten und die Grenzen der Belastbarkeit genau zu beschreiben – hierfür haben wir genügend Wissen zusammengetragen. Dieses Wissen müssen wir operationalisieren, um die negativen Trends umzukehren und den Veränderungsprozess anzustoßen. Das erfordert gewaltige Anstrengungen auf allen Ebenen – lokal, regional und global, gepaart mit Einfallsreichtum, Innovation, neuen Technologien, Effektivität und kluger Steuerung. Alles wie gehabt ist keine Option mehr.“

Bewusstseinswandel zur Nachhaltigkeit – die Öffnung des Trichters

Bewusstseinswandel zur Nachhaltigkeit – die Öffnung des Trichters
Soziale Zwänge
  • Zunehmende Ungleichheit (sozial, wirtschaftlich)
  • Vertrauensverluste (Menschen untereinander, gegenüber Institutionen)
  • Vermehrtes Auftreten von Wohlstandskrankheiten wie Fettleibigkeit oder Depression
  • Wachsende Diskriminierung (Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Religion etc.)
  • Etc.
Umweltbelastungen
  • Klimawandel
  • Neue Entitäten
  • Stratosphärischer Ozonabbau
  • Atmosphärische Aerosolbelastung
  • Meeresversauerung
  • Biogeochemische Abläufe
  • Süßwasserverbrauch
  • Landnutzungsänderung
  • Biologische Vielfalt (Aussterberate, Verlust ökologischer Funktionen)
Wertschöpfung
  • Einfallsreichtum
  • Innovation
  • Neue Technologien
  • Transformation
  • Effektivität
  • Kluge Steuerung (ordnungspolitisch, sozial, wirtschaftlich)
  • Etc.

Während der letzten dreißig Jahre haben internationale und interdisziplinär aufgestellte Gruppen von Wissenschaftlern die grundsätzlichen Ursachen für die Schädigung der sozio-ökologischen Systeme unseres Planeten identifiziert. Wenn wir diese Hauptursachen erkennen und verstehen, dann können wir den erforderlichen Wandel hin zur Nachhaltigkeit in Gang setzen. The Natural Step hat aus diesen Hauptursachen die Prinzipien der Nachhaltigkeit abgeleitet, die als Systembedingungen zu achten sind.

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