Die aktuelle Situation

Lebenserhaltende Systeme in Gefahr

Die letzten Jahrhunderte sind auf den ersten Blick eine grandiose menschliche Erfolgsgeschichte, geprägt von technischem Fortschritt und einer verbesserten Lebensqualität in vielen Regionen der Welt. Gleichzeitig hat sich unser Planet grundlegend verändert. Wir Menschen prägen dieses Zeitalter maßgeblich, leider auch mit einem hohen Maß an Zerstörungspotenzial. Unser Planet ist krank und die globale Gesellschaft trägt gravierende soziale Konflikte aus. Ein Ende ist nicht abzusehen – ganz im Gegenteil.

Oberflächlich betrachtet mögen die vielen Probleme, ob wirtschaftlich, sozial oder ökologisch, wenig oder rein gar nichts miteinander zu tun haben. Manche mögen sie als diffuse Bedrohungen in einer fernen Zukunft betrachten – ein Irrglaube. Wenn wir an einer Stelle ein Problem lösen, verursachen wir damit oft andere, sei es zeitlich verzögert oder woanders.

Global Risks Report 2018

Globale Risiken betreffen uns alle. Die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und die negativen Auswirkungen der Umweltzerstörung verursachen gravierende Probleme, die sich verschärfen, und zwar immer schneller. Deshalb ist es so wichtig von Grund auf zu verstehen, wie sich globale Risiken und Trends bzw. Entwicklungen gegenseitig beeinflussen. Erst dann werden wir den richtigen Ansatz und die beste Lösung finden. Auch das Jahr 2018 wird uns mit zunehmenden, sehr komplexen Risiken herausfordern. Es wird uns aber auch Chancen eröffnen, wenn wir konsequent sytemisch denken, das heißt individuelle und organisatorische Entscheidungen im Kontext von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zu treffen.

Der Global Risks Report 2018, veröffentlicht vom Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum, WEF), warnt insbesondere vor zunehmenden Umweltgefahren. Hierzu zählen u.a. Extremwetter-Ereignisse und Naturkatastrophen, die für die Menschheit sogar gefährlicher sind als Cyberangriffe und Datendiebstahl. Der diesjährige Report dokumentiert mehr Risiken als je zuvor, die alle irgendwie miteinander vernetzt sind. Die Berichte des WEF sind für The Natural Step wertvolle Quellen, die aus systemischer Perspektive empirisch gesicherte Erkenntnisse liefern. Die unten stehenden Infografiken zeigen anschaulich, wie eng die globalen Risiken und Trends bzw. Entwicklungen miteinander verwoben sind. Mehr Information finden Sie hier.

Globale Risiken 2018

Globale Risiken 2018

Vernetzung von globalen Risiken und Trends 2018

Vernetzung von globalen Risiken und Trends

Mehr Insights zu den Global Risks 2018 finden Sie in unserer deutschsprachigen Zusammenfassung und wenn Sie auf den untenstehenden Link klicken.

Metaphern für Paradigmen

Wir Menschen nehmen das, was mit uns und um uns herum passiert, mit unterschiedlichen Augen wahr und interpretieren das Erlebte u.a. auf Grundlage unseres Wissens und unserer Erfahrungen. Auf diese Weise entwickelt jeder von uns sein eigenes Bild von der Welt. Im Ansatz von The Natural Step sind typische Weltbilder, die oft Denkmuster oder die wissenschaftliche Auffassung in einem bestimmten Zeitraum reflektieren, als „Paradigmen“ begrifflich verankert. Sobald wir die Struktur eines Paradigmas verstehen, können wir dessen Stärken und mögliche logische Schwächen beurteilen. Starten wollen wir mit der genaueren Betrachtung eines vorherrschenden Weltbildes unserer heutigen Gesellschaft.

DAS ZYLINDER-PARADIGMA

Diese Weltanschauung basiert auf der Annahme, dass Probleme, die in verschiedene Kategorien fallen, wie beispielsweise soziale und ökologische Probleme, nichts miteinander zu tun haben. Sie werden – jedes für sich – zwar ernst genommen, aber isoliert voneinander betrachtet. Diejenigen, die dem zylindrischen Weltbild vertrauen, interpretieren die meisten Probleme als unvermeidbare Begleiterscheinungen des Fortschritts, die unsere lebenserhaltenden Systeme nur geringfügig und kurzzeitig belasten können. Die erforderlichen Querverbindungen werden nicht gezogen – typische Beispiele hierfür sind:

  • Hungersnot in Afrika durch eine zeitbegrenzte Dürreperiode
  • Regionale Flut bedingt durch eine außergewöhnliche Wettersituation
  • Unfreiwillige Massenmigration wegen eines Bürgerkriegs
  • Fettleibigkeit als Folge ungesunden Lebenswandels
  • Offenlegung eines Unternehmens- oder Politikskandals, bei dem die Wahrheit aus Eigeninteresse zu kurz kommt
  • Aussterben einer scheinbar unbedeutenden Spezies
  • Ausbruch einer Epidemie als Folge lokaler oder regionaler Defizite

Das Zylinder-Paradigma entspricht einem Weltbild, wonach die horizontal verlaufenden Wände lediglich vereinzelte Begrenzungen darstellen, die wir im Zeitablauf zu beachten haben. Im Allgemeinen werden darunter die Verfügbarkeit an Ressourcen, die Belastbarkeit von Menschen und ein unbedeutender Einfluss auf das Gleichgewicht von Umwelt und Gesellschaft verstanden. Aufeinander folgende Ereignisse, wie z.B. geopolitische Spannungen, fehlende Transparenz, Ungleichheit, Ozonloch, Klimawandel, ungesunde Ernährung oder Luftverschmutzung, werden als voneinander unabhängige Einzelphänomene wahrgenommen, die wir mit weiterem wirtschaftlichen Wachstum, technologischer Entwicklung und kurzfristigen Lösungen in den Griff bekommen werden.

DAS ZYLINDER-PARADIGMA

das Zylinder-Paradigma

Kernaspekte unserer Entwicklung

Wenn es um das tägliche Wirtschaftsgeschehen geht, werden Aspekte der Gesellschaft und der Umwelt häufig vollkommen separat betrachtet. Im schlimmsten Fall spielen sie gar keine Rolle.

Kernaspekte unserer Entwicklung

Dieses Denkmuster ist historisch gewachsen. Viele Jahrhunderte lang war die menschliche Gesellschaft klein im Vergleich zur Biosphäre. Unsere Bedürfnisse waren begrenzt, genauso wie die Auswirkungen unseres Handelns. Wir lebten in unserer kleinen Welt auf einem großen Planeten. Das ist lange vorbei. Mit Beginn der Industrialisierung ist unsere Gesellschaft enorm gewachsen, in ihrer Größe wie in ihrem globalen Einfluss. Die kulturellen und technologischen Entwicklungen, gerade der letzten beiden Jahrhunderte, haben uns enorme Fortschritte gebracht: In der Wissenschaft, bei der Ausrottung von Krankheiten, im Hinblick auf die Steigerung unserer Lebenserwartung und zur Verbesserung unserer Lebensqualität. Die treibende Kraft dahinter war und ist unsere Wirtschaft. Allerdings wurden deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt nicht ausreichend berücksichtigt.

Unser wirtschaftliches Wachstum und die steigende Nachfrage führen zu immer größeren Auswirkungen auf unsere Umwelt mit ihren empfindlichen Ökosystemen – einige Beispiele:

  • Massiver Anstieg der Emission von Treibhausgasen, u.a. durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe
  • Von Menschen verursachte Überlastung natürlicher Kreisläufe mit Schwermetallen und mineralischen Schadstoffen
  • Hoher Anteil der Flächennutzung für Landwirtschaft, Infrastruktur und städtische Bebauung
  • Steigende Belastung durch industriell produzierte Chemikalien
Massiver Anstieg der Emission von Treibhausgasen
Monokulturen
Steigende Belastung durch industriell produzierte Chemikalien

Hinzu kommen gravierende soziale Probleme, die uns nicht nur in Entwicklungs- und Schwellenländern zu schaffen machen: Verletzung der Menschenrechte, Ausbeutung, fehlende Gleichstellung, Bedrohung durch Armut, Mangelernährung und Epidemien, vielerorts ein fehlender Zugang zu Bildung.

Ausbeutung
fehlende Gleichstellung
fehlender Zugang zu Bildung

KURZ ZUSAMMENGEFASST

Das Weltbild, das wir Zylinder-Paradigma nennen, berücksichtigt zwar, dass die gesellschaftlichen und ökologischen Systeme begrenzt sind. Es beinhaltet aber nicht, dass wir unsere natürlichen Ressourcen systematisch über Gebühr beanspruchen und dadurch verringern. Die Verknüpfung und die wechselseitigen Einflüsse von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt werden in diesem Weltbild nicht wirklich verstanden. Die Folge: Menschen, die von diesem Weltbild überzeugt sind, unterschätzen die Auswirkungen und Gefahren, die unser Verhalten langfristig haben kann.

HDI und ökologischer Fußabdruck

Wie können wir die Konsequenzen unseres Handelns genauer erfassen und verständlich beschreiben? Welche verlässlichen wissenschaftlichen Daten zu Gesellschaft und Umwelt können wir so verknüpfen, dass wir die Folgen unseres Handelns besser verstehen und positiv beeinflussen können? Zwei internationale Messgrößen bieten sich hierfür an: der „Human Development Index“ (HDI) der Vereinten Nationen (UN) und der ökologische Fußabdruck – Ecological Footprint.

Der HDI ist ein Indikator für gesellschaftlichen Wohlstand und den Entwicklungsstand eines Landes in Bezug auf Gesundheit, Bildung und Einkommen. Er geht zurück auf eine weltweite Studie des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), wird vom Global Footprint Network berechnet und kann Werte zwischen Null und Eins annehmen. Eine Zielgröße von 0,8 gilt als erstrebenswert. Der HDI ist als Messzahl international anerkannt, obwohl er die menschliche Entwicklung vereinfacht und z.B. Unterschiede innerhalb eines Landes zwischen Arm und Reich oder Stadt und Land nicht abbildet.

Der zweite Indikator, der ökologische Fußabdruck, misst, welchen Anteil an natürlichen Ressourcen jeder einzelne Mensch pro Jahr verbraucht. Die Messgröße hierfür ist der globale Hektar (gha). Die derzeit aktuellste weltweite Datenerhebung bildet das Jahr 2012 ab und sagt aus, dass jeder Mensch rechnerisch 1,8 globale Hektar (gha) zur Verfügung hätte. Unser realer Verbrauch an natürlichen Ressourcen liegt deutlich höher und entspricht einer Fläche von 1,6 Planeten Erde!

Die unten stehende animierte Infografik zeigt deutlich, dass bei wachsender Bevölkerung und weiter ansteigendem Konsum der Bedarf an Biokapazität pro Person und Jahr, damit pro Land, sehr schnell steigt. Anschauliche Beispiele hierfür liefern in der Animation u.a. die beiden großen roten Punkte, die Indien und China repräsentieren, und der mittelgroße blaue Punkt oben rechts, der die Vereinigten Staaten symbolisiert.

Index der menschlichen Entwicklung (HDI)
verknüpft mit dem ökologischen Fussabdruck

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Quellen: Daten zum ökologischen Fußabdruck vom Global Footprint Network, 2016; HDI-Werte vom UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, 2016

CC BY-NC-ND 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/

Index der menschlichen Entwicklung (HDI)
Index der menschlichen Entwicklung (HDI) – Legende
Index der menschlichen Entwicklung (HDI) – Legende

Quellen: Daten zum ökologischen Fußabdruck vom Global Footprint Network, 2016; HDI-Werte vom UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, 2016

CC BY-NC-ND 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/

HDI – Index der menschlichen Entwicklung

Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes, sozusagen sein Wohlstandsindex, kann in vereinfachter Form mit dem HDI (Human Development Index) des UNDP erfasst werden. Hinter dieser Kenngröße steht die Motivation, die menschliche Entwicklung in den Vordergrund zu rücken, wenn wir den Entwicklungsstand eines Landes analysieren und bewerten wollen.

Mathematisch ist der HDI das geometrische Mittel von drei Indizes: Lebenserwartung, Bildung und Einkommen. Gesellschaftspolitisch dient er auch dazu, soziale Diskrepanzen aufzudecken und zu hinterfragen, warum Länder mit gleichem Pro-Kopf-Einkommen sozial unterschiedlich gut entwickelt sein können.

Ökologischer Fußabdruck

Der ökologische Fußabdruck beziffert auf der Angebotsseite, wie viel natürliches Kapital = Biokapazität wir auf unserem Planeten aktuell haben. Auf der Nachfrageseite erfasst er, wie viel davon jeder Mensch pro Jahr verbraucht, international vergleichbar gemacht durch den globalen Hektar (gha) als Maßeinheit.

Für die Berechnung nutzt das Global Footprint Network u.a. die Daten von Organisationen wie UN DESA und UNESCO. Der ökologische Fußabdruck dient auch dazu, in jedem Jahr den „Earth Overshoot Day“ zu bestimmen, den Tag, an dem wir Menschen so viel von der Natur verbraucht haben, wie die Erde im gesamten Jahr regenerieren kann.

„DIE GROSSE BESCHLEUNIGUNG“

In 2015 haben führende Naturwissenschaftler, unter Ihnen Professor Will Steffen, der ehemalige Direktor vom IGBP (International Geosphere-Biosphere Programme), ihre 24 Indikatoren für „die große Beschleunigung“, besser bekannt als „Planetary Dashboard“, überarbeitet und aktualisiert.

Die Indikatoren, die zu zwei Gruppen à je 12 zusammengefasst wurden, bilden zwar sehr unterschiedliche Faktoren ab, haben aber zwei grundsätzliche Dinge gemeinsam:

  1. Nahezu alle der 24 Indikatoren zeigen, dass die gravierendsten Veränderungen auf unserem Planeten in den 1950er Jahren ihren Anfang nahmen – diese gelten somit als der Startpunkt der „großen Beschleunigung“.
  2. Die heutigen Entwicklungen unserer lebenserhaltenden Systeme stehen in direkter Wechselwirkung zu unserem globalen, wirtschaftlichem Handeln.

Aus der systemischen Sicht von The Natural Step stehen diese 24 Indikatoren damit nicht nur für die enorme Geschwindigkeit eines dramatischen Wandels, sondern auch für die einzigartige Verantwortung unserer Spezies für die Zukunft des Planeten Erde. Führende Wissenschaftler bezeichnen unsere gegenwärtige Epoche daher als Anthropozän – ein Zeitalter, in dem wir Menschen die wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse unserer Erde sind.

DIE GROSSE BESCHLEUNIGUNG

Sozio-ökonomische Trends …
Sozio-ökonomische Trends …
… Erdsystem-Trends
… Erdsystem-Trends
Sozio-ökonomische Trends …
Sozio-ökonomische Trends …
… Erdsystem-Trends
… Erdsystem-Trends

Planetare Grenzen

Die negativen Auswirkungen unseres menschlichen Verhaltens sind auch für naturwissenschaftliche Laien offensichtlich. Sie begegnen uns in Form von extremen Unwettern, Smog, Plastikmüll, Artensterben. Wissenschaftlich betrachtet repräsentieren die planetaren Grenzen neun globale, biophysikalische Handlungsräume mit ihren Limitierungen. Deren Überschreitung macht die Bewertung der daraus resultierenden Konsequenzen unsicherer und erhöht somit das Risiko für den Erhalt von Lebensraum und -qualität der Menschheit als Ganzes. Das Konzept der planetaren Grenzen wurde erstmalig 2009 vorgestellt und 2015 aktualisiert. Entwickelt hat es eine internationale Gruppe von 28 Wissenschaftlern unter der Leitung u.a. von Dr. Johan Rockström, Direktor vom Stockholm Resilience Centre (SRC) und langjähriger Partner von The Natural Step.

DIE PLANETAREN GRENZEN – AKTUALISIERTE FASSUNG 2015

Planetare Grenzen

Originalquelle: www.stockholmresilience.org, Infografik: F. Pharand-Deschênes/Globaïa; deutsche Quelle: „Big World Small Planet“, Dr. Johan Rockström und Mattias Klum, Abbildung 2.1, Seite 83

Das Trichter-Paradigma

Das Weltbild, das wir Trichter-Paradigma nennen, unterscheidet sich grundsätzlich von der Weltanschauung, die wir als Zylinder-Paradigma bezeichnen. Der Trichter illustriert unsere reale Situation mit all ihren Risiken und Entwicklungen und baut die Brücke zu der dazugehörigen Erklärung. Im Gegensatz zum Zylinder berücksichtigt die Trichterform, dass unsere natürlichen Ressourcen sich verringern, wenn wir nicht verantwortungs- und maßvoll genug mit ihnen umgehen. Die Wände des Tunnels nähern sich einander an, d.h. unsere natürlichen Ressourcen nehmen ab und unser Handlungsspielraum wird kleiner.

 

Das Trichter-Paradigma

das Trichter-Paradigma

Im Weltbild, das der Trichter symbolisiert, erkennen wir, dass zwischen unseren gesellschaftlichen und ökologischen Problemen komplexe Querverbindungen bestehen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass menschliches Fehlverhalten unsere lebenserhaltenden Systeme insgesamt schwächen kann. Die Menschheit zerstört also nicht nur hier oder dort einen natürlichen Lebensraum, sondern unterbricht die Gesamtheit der natürlichen Kreisläufe an Land, im Wasser und in der Luft, sei es durch Umweltverschmutzung oder Vergiftung. Je schneller die Bevölkerung wächst und je mehr sie konsumiert, desto mehr belasten wir die natürlichen Systeme, ohne die möglichen Spätfolgen absehen zu können.

Da eine Verlangsamung von Konsum und Wachstum derzeit nicht zu erwarten ist, sind fatale und irreversible Folgen wie das Artensterben und die Zerstörung natürlicher Biotope, in der Infografik oben dargestellt als Kollisionen mit den Tunnelwänden, unvermeidlich.

Die systematische Ausbeutung bzw. Vernichtung unserer natürlichen Ressourcen wird die Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse in absehbarer Zeit unmöglich machen. Außerdem werden wir anfälliger und verletzlicher werden, wenn plötzliche Katastrophen eintreten. Diese Entwicklung umzukehren wird schwieriger, je tiefer wir in den Trichter hineingeraten, denn es gilt: Je mehr die Wände zusammenrücken, desto weniger Ressourcen und Handlungsoptionen werden wir haben.

Der reduktionistische Ansatz

Ein weiteres bekanntes Denkmuster, um Komplexität besser in den Griff zu bekommen, wird als „Reduktionismus“ bezeichnet und geht zurück in die Zeit der Industrialisierung. Charakteristisch für diesen Lösungsansatz ist, das große Ganze in möglichst viele kleine Einzelteile zu zerlegen und Probleme auf der Detailebene zu lösen. Anschauliche Beispiele für den reduktionistischen Ansatz finden wir in vielen Industrien. Henry Ford, einer der Pioniere des Automobilbaus, prägte seine Zeit mit der Überzeugung, dass ein Produktionsprozess dann besonders effizient ist, wenn man ihn in möglichst kleine Schritte aufteilt und zeitlich genau taktet. Die Vision von Henry Ford: Wir machen die Autoproduktion am Fließband so kostengünstig, dass jeder sich ein Auto leisten kann.

Automobilbau
Produktionsprozess
Automobilbau

Das hat so lange funktioniert, bis wir Menschen verstanden haben, dass der Reduktionismus nicht der Königsweg zu mehr Effizienz und zur Lösung komplexer Probleme sein kann. Dennoch treten wir oft die Flucht ins Detail an, wenn wir unter erhöhtem Stress stehen und die Komplexität uns überrollt. Die Folge: Wir sind nicht mehr in der Lage, das Problem als Ganzes zu erfassen und zu lösen, reagieren zum Beispiel unreflektiert auf wirtschaftsgetriebene Schlagzeilen, anstatt die Themen im größeren Kontext zu betrachten. Wir beschäftigen uns nur mit einzelnen Symptomen und finden deshalb allenfalls Teillösungen.

Wissenschaftler streiten darüber, wann genau die Polkappen abschmelzen werden. Regierungen verabschieden in bester Absicht Gesetze, ohne das hierfür erforderliche Systemverständnis zu besitzen. Damit richten sie in der Folge neuen Schaden an anderer Stelle oder zu anderer Zeit an. Wir mögen alles über das kleinste Detail wissen, aber wir können das große Ganze nicht erkennen. Vor lauter Bäumen, können wir den Wald nicht sehen. Das ist es, was wir unter Reduktionismus verstehen.

Immer mehr Menschen und Organisationen erkennen inzwischen an, dass Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt untrennbar miteinander verbunden sind und dass zwischen diesen drei Bereichen vielschichtige Abhängigkeiten bestehen. Allerdings sind nur sehr wenige in der Lage, diese Zusammenhänge präzise zu beschreiben.

People, Planet, Profit – Gesellschaft
People, Planet, Profit – Umwelt
People, Planet, Profit – Wirtschaft

Eines der bekanntesten Erklärungsmodelle für nachhaltiges Wirtschaften im systemischen Kontext hat der britische Stratege und Unternehmer John Elkington Mitte der 1990er Jahre entwickelt und als „People, Planet, Profit“ oder auch „Triple Bottom Line“ (TBL) bekannt gemacht. Im Englischen ist die „Bottom Line“ der Schlussstrich unter der Gewinn-und-Verlustrechnung – dort steht der Profit. John Elkington hat diesen vertrauten Begriff um die Dimensionen Gesellschaft und Umwelt erweitert. Die „Triple Bottom Line“ beziffert den Mehrwert, den ein Unternehmen ökonomisch, ökologisch und sozial schafft, wenn es nachhaltig agiert.

People, Planet, Profit

Zur Darstellung werden üblicherweise drei Kreise verwendet, die sich teilweise überlappen. In der Mitte steht die Nachhaltigkeit (1), zu verstehen als Mehrwert, den ein Unternehmen oder eine Organisation nur dann erreichen kann, wenn es ausgewogen agiert. Außerdem gibt es Felder, in denen sich zwei der drei Bereiche überlappen – sie stehen für Mehrwerte, die sich ergeben, wenn unternehmerisches Handeln bezogen auf diese beiden Bereiche ausbalanciert ist (2). Die übrigen Flächen (3) symbolisieren, dass in weiten Teilen unabhängig von anderen Aspekten gearbeitet werden kann. Kritiker sehen die Grenzen des Modells darin, dass sich der Nutzen eines Engagements für Umwelt und Gesellschaft nie so genau berechnen lässt wie die klassische „Bottom Line“, der Gewinn. Dennoch ist die „Triple Bottom Line“ bis heute ein fester Begriff in der Nachhaltigkeitsdiskussion und Bestandteil vieler Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte.

Die aktuelle Situation zusammengefasst

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen

Im September 2015 haben sich auf dem Gipfel der Vereinten Nationen (UN) in New York 193 Staaten auf die „Agenda 2030“ geeinigt und insgesamt 17 „Sustainable Development Goals“ (SDGs) verabschiedet. Die internationale Staatengemeinschaft hat hiermit die aktuelle Weltsituation zusammengefasst und schriftlich dokumentiert, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen.

Die Agenda 2030 schafft die Grundlage dafür, weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen unseres Planeten zu gestalten. Gesetzlich fixiert und rechtlich bindend sind die SDGs und ihre insgesamt 169 Zielvorgaben aber nicht. Umweltexperten bezweifeln daher, dass die Agenda 2030 das dringend erforderliche Umdenken hin zu mehr Nachhaltigkeit tatsächlich bewirken kann. Wie soll das gehen ohne die letzte Konsequenz in Form einer gesetzlichen Verankerung?

Der systemische Ansatz von The Natural Step

Unser Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass wir die verschiedenen Dimensionen unserer aktuellen Situation zuerst miteinander verknüpfen müssen, um die real bestehende Herausforderung wirklich zu begreifen und unsere lebenserhaltenden Systeme retten zu können. Um die Komplexität für alle verständlich beschreiben zu können, haben wir eine gemeinsame Sprache entwickelt und damit eine gute Basis geschaffen, aus einer ganzheitlichen Perspektive heraus mit einem systemischen Ansatz erfolgreich an die Probleme heranzugehen. Auch hier hilft uns die Metapher des Trichters:

Um zu verhindern, dass wir – bedingt durch unser Handeln – mit den Wänden des Trichters kollidieren, müssen wir zuerst die Richtung ändern und umdenken. Wenn wir unsere lebenserhaltenden Systeme nicht weiter zerstören wollen, dann kann Wachstum um jeden Preis nicht der Weg zum Ziel sein, denn damit verengen wir den Trichter – und unseren Handlungsspielraum. Das Ziel muss sein, mit einem verantwortungsvollen Verhalten zu erreichen, dass sich der Trichter wieder öffnet. Damit eröffnen wir uns wieder mehr Möglichkeiten, unser Umfeld und unseren Wohlstand zu erhalten. Anders formuliert: Wir schaffen ein Umfeld, in dem uns die gesellschaftlichen und ökologischen Systeme weiterhin unterstützen, wir also zu einem stabilen Zustand zurückfinden. Das ist kein einfaches Unterfangen, aber auch keine Utopie.

 

der systemische Ansatz von The Natural Step

Bildsprachlich werden wir also der aktuellen Situation gerecht, in dem wir uns durch den Trichter (= in Umwelt und Gesellschaft) bewegen, ohne mit den Wänden in Berührung zu kommen (= ohne unsere Umwelt und die Gesellschaft auszubeuten). Im Ansatz von The Natural Step nennen wir das nachhaltige Entwicklung – „sustainable development“. Es gibt also trotz aller Probleme und ihrer Komplexität zum Ende dieses Kapitels eine gute Nachricht: Mit unserem systemischen Ansatz können wir es gemeinsam schaffen und die Lösung finden, die uns weiterhin in Wohlstand leben lässt, ohne dass wir gleichzeitig unseren Planeten und unsere lebenserhaltenden Systeme zerstören.

systemischer Ansatz
systemischer Ansatz
systemischer Ansatz

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